Vorgereist

Glenda León (*1976 in Havanna)

Installations- und Videokünstlerin

„Cuba is a country of dance – it’s everywhere here: in the streets, in restaurants and bars, performance halls and schools – and from the time that I was a little girl, I studied dance, hoping to become a choreographer.“

Eingefangen von Kubas Musik, der Melodie auf den Straßen, wurde Glenda León zuerst Tänzerin. In die Welt des Tons und des Tanzes installierte sie später die Gegenstände ihrer Kunst, leise Verfremdungen augenfälliger Materialien: Sie band Schleifen an Grashalme, schaufelte Sand zu Bergen und verlieh den visuellen Medien ihrer Konzeptart den Sound. Alle Installationen sind verbunden mit Musik, ein sich verbeugendes Piano, aus dem gelbe Blumen herausschießen, hat die Aura eines fast sichtbaren Tons, vielleicht ein Widerhall in der Wahrnehmung des Betrachters. Man soll hören auf das, was man sieht, und auf das sehen, was man hört. Indem sie unsere Sehgewohnheiten mit unerwartetem Klang verstört oder verbindet, berühren ihre Werke eine spirituelle Frage: nach der Spannung von innen und außen, von Nähe und Ferne.
Nach Abschluss ihres Studiums der Kunstgeschichte an der Universität von Havanna begann sie ihre Arbeit als plastische Künstlerin. Ein zweijähriges Weiterstudium an der Kunsthochschule für Medien führte sie nach Köln. In Anlehnung an dadaistische Stilmittel wie „Gefundene Objekte“ und die Avantgarde der Modernen Musik schuf sie Installationen, mit denen sie schnell über Havanna hinaus bekannt wurde. „Escuchando el silencio / Der Stille zuhören“ ist der Titel eines Kunstwerkes aus Schallplatten, das im Zentrum ihrer ersten Ausstellung in New York stand. Ihre konzeptionellen Werke und ihre Videokunst werden im Centre Georges Pompidou in Paris, dem Museo Nacional de Bellas Artes von Havanna, sowie in zahlreichen Galerien auf Kuba, in Deutschland und Spanien ausgestellt.
Anders als die meisten kubanischen Künstler und Künstlerinnen, die nach Aufenthalten in Paris oder anderen westlichen Metropolen dort auch ihren Wohnsitz wählten, kehrt sie immer wieder nach Havanna zurück. "Ich habe viel Zeit damit verbracht, mir über die Absurditäten des Lebens auf Kuba Gedanken zu machen oder einen Sinn in den Dingen zu finden, die mir ein bisschen absurd erschienen", sagt sie 2012 in einem Interview mit der kubanischen promotion-platform „Havana Cultura“, „doch dann habe ich gemerkt, dass das Absurde auch etwas Gutes haben kann".
Als ein Statement zur schwierigen Situation ihres Landes ist vielleicht eine Installation zu sehen, mit der sie auf der 11. Bienale in Havanna große Beachtung fand. Unter dem Titel „Summer Dream / Horizon Is An Illusion“ verfremdete sie die kommunale Anlage eines Swimmingpools. Die gegenüberliegenden Seiten des Schwimmbeckens sind markiert mit den aufgeklebten Straßenzügen aus den vergrößerten Stadtplänen von Havanna und Miami. Wer von einem der beiden „Strände“ losschwimmt, ist automatisch ein Akteur im absurden politischen Spannungsfeld zwischen exilierten und eingeschlossenen Kubanern. Sieht man jedoch nur auf das Wasser, sinnbildlich für den Golf von Florida, und blendet die Uferseiten  aus, verliert man Motiv, Projektion, Richtung und Erwartung der Schwimmer ganz aus den Augen. Man könnte meinen, es handelte sich nur um einen Freizeitspaß.
Glenda León kann der „Musik von Kuba“, wie auch immer ihr Land sich entwickeln mag, nicht den Rücken kehren – nur manchmal lebt sie für eine Weile in Madrid.

Text: Anne-Felicitas Görtz
Foto: © http://havana-cultura.com

Installation mit Swimmingpool

www.havana-cultura.com